von Ulrich H.J. Körtner
Die Transplantationsmedizin eröffnet neue Möglichkeiten, Menschenleben zu retten oder die Situation von dauerhaft geschädigten PatientInnen nachhaltig zu verbessern. Grundsätzlich verdient sie aus Sicht der Ethik, aber auch aus Sicht der Weltreligionen, jede Unterstützung. Voraussetzung ist allerdings, dass ethische Grenzen beachtet werden.
Das betrifft zunächst die Organentnahme bzw. die Organspende. Zu unterscheiden sind die Lebendspende und die Totenspende. Die Entnahme lebenswichtiger Organe wie Herz oder Leber setzt den Tod des Spenders voraus. Das Hirntodkriterium wird auch von ethischer Seite weithin anerkannt, stößt vereinzelt jedoch auf Bedenken. Umstritten ist auch, ob der Spender zu seinen Lebzeiten einer Organentnahme ausdrücklich zugestimmt haben muss („Zustimmungslösung“) oder ob – wie in Österreich – das Fehlen eines ausdrücklichen Widerspruchs gegen die Organentnahme eine ethisch und juristisch ausreichende Grundlage bietet („Widerspruchslösung“). Ob man geradezu von einer ethischen Pflicht zur Organspende sprechen kann, ist wiederum umstritten. Für die Lebendspende (z.B. einer Niere) gilt das wohl nicht. Aus ethischer Sicht ist aber die Bereitschaft zur freiwilligen Organspende unbedingt zu fördern. Christlich verstanden ist die Organspende ein Akt der Nächstenliebe. Unethisch ist der kommerzielle Handel mit Organen, von der gewaltsamen Organentnahme ganz zu schweigen.
Eine ethische Bewertung der Transplantationsmedizin hat nicht nur die Seite des Organspenders, sondern auch des Organempfängers zu beachten. Nicht nur, dass der mögliche Nutzen einer Transplantation gegen die Risiken abzuwägen ist. Sondern vom Patienten bzw. von der Patientin ist auch eine entsprechende Mitarbeit, d.h. ein Verhalten oder eine Umstellung der Lebensweise zu erwarten, damit überhaupt Aussicht auf Erfolg besteht. In Anbetracht der allgemeinen Organknappheit hat auch der Empfänger, der in den Genuss einer Transplantation kommt, eine große ethische Verantwortung.
Und schließlich sollten auch die besonderen psychischen Belastungen gesehen werden, mit denen sich ÄrztInnen und Pflegende sowohl bei der Transplantation als auch bei der Organentnahme (einschließlich der Pflege von Hirntoten bis zur Explantation) konfrontiert sehen.
Neben der Förderung der Transplantationsmedizin darf aber die Gesundheitsvorsorge nicht vernachlässigt werden. Viele Organschäden sind die Folge einer ungesunden Lebensweise. Vorbeugende Medizin ist allemal besser als jede Reparaturmedizin, auch wenn wir auf diese nicht werden verzichten können.
Autor: O.Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner, Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, Alser Str. 2-4, Hof 1, A-1090 Wien, ulrich.koertner@univie.ac.at
Religionsvertreter
Besuch seiner Heiligkeit Johannes Paul II.
18. Internationaler Kongress der Transplantation Society, Rom, 29. August 2000
Auszug aus einer Grußadresse an die Teilnehmer des Kongresses:
“...... Zunächst muß darauf hingewiesen werden, wie ich es schon an anderer Stelle getan habe, dass jede Organtransplantation ihren Ursprung in einer Entscheidung von großer ethischer Bedeutung hat: Die Entscheidung, einen Teil seines Körpers ohne Gegenleistung für die Gesundheit und das Wohlbefinden einer anderen Person hinzugeben.
Hier genau liegt der wahre Wert der Tat, eine Tat, die einen echten Akt der Liebe darstellt. Es ist dies nicht nur die Hingabe von Etwas, das uns gehört, sondern die Hingabe eines Teils von uns, denn - da eine substantielle Einheit mit der spirituellen Seele besteht, kann der Körper
nicht nur als Verein von Geweben, Organen und Funktionen betrachtet werden........., sondern er ist ein integraler Bestandteil der Person, die sich durch ihn (den Körper) manifestiert und darstellt (Enz.”Donum vitae 3”). Daher ist die Vorgangsweise, die in Richtung Kommerzialisierung menschlicher Organe zielt oder sie als Handelsobjekt betrachtet, moralisch inakzeptabel, denn den Körper als Objekt zu betrachten, verletzt die Würde
des Menschen.............”
Auszug aus der Rede Kardinal Königs anlässlich des “2nd European Day for Organ Donation and Transplantation” am 19.09.1998 in Wien:
“........1. Zur Frage der Organentnahme bei einem lebenden Menschen besteht kein Einwand von Seiten der Ethik, soweit es sich um die Entnahme eines Organs handelt, das dem Spender keinen schweren gesundheitlichen Schaden zufügt. Wenn dies im Kreis der verwandten Personen geschieht, so wird dies von seiten der Medizin als vorteilhaft angesehen. Voraussetzung für eine medizinische Organspende ist allerdings die freiwillige Zustimmung des Spenders. Es darf sich um keine kommerziellen Absichten oder Geschäfte handeln, denn auch Organe oder Teile eines Körpers behalten noch die Würde vom ganzen Menschen und sind keine Handelsware.
Bei einer Organspende kann es sich außerdem um einen wertvollen Akt der Nächstenliebe handeln, das heißt, um das Leben des Nächsten zu retten oder doch seine Lebensqualität sehr zu vermehren. Johannes Paul II. hat übrigens in seiner Enzyklika “Evangelium vitae” auf die Möglichkeit von Organspenden hingewiesen. Er stellt fest: “Unter diesen Gesten verdient die in ethisch annehmbarer Form durchgeführte Organspende besondere Wertschätzung, um Kranken, die bisweilen jeder Hoffnung beraubt sind, die Möglichkeit der Gesundheit oder sogar des Lebens anzubieten.............”
Stellungnahme Bischof Mag. Herwig Sturm zum Thema: Organspende und Organtransplantation
Die Möglichkeit der Organtransplantation ist eine medizinische Großtat, die vielen Menschen zum Weiterleben hilft und neue Hoffnung gibt. Die freiwillige Spende von Organen für andere Menschen ist ein oft berührendes Beispiel der Mitmenschlichkeit. In diesem Sinn bejaht und unterstützt die Evangelische Kirche die Spende und Transplantation von Organen.
Ich sehe allerdings auch die andere Seite: Die Trauer um einen Menschen, dessen Unfall/Tod erst die Entnahme eines Organs ermöglicht; die Not der Auswahl der Empfänger angesichts der Organknappheit; die seelischen Belastungen von Ärzten und Pflegepersonal in diesem Spannungsfeld; die Ausbeutung von Armut bei Spendern.
Meines Erachtens ist die Organtransplantation eine Medizin im Übergang; ich nehme an, dass es in absehbarer Zeit künstlichen Ersatz für irreparabel geschädigte Organe geben wird. Bis dahin ist sie ein Zeichen, wie Menschen für Menschen eintreten können, eine Mahnung, mit dem anvertrauten Leib und Leben sorgsam umzugehen und insgesamt eine Ahnung dessen, was Christus verheißen hat: „Siehe, ich mache alles neu.“
Wien, 2002-06-19
Zusammenfassung der Diskussion im Beth Israel Spital, 22.Juni 1996
Die jüdische Tradition hat die Wichtigkeit von Pikuach Nefesch - die Verpflichtung menschliches Leben zu retten - immer anerkannt. Dieses Gebot hat Vorrang vor fast allen anderen Geboten. Das bedeutet, wenn es in unserer Macht steht, Leben zu retten, so müssen wir es auch tun, vorausgesetzt es bringt uns nicht in die Situation, dass wir unser eigenes Leben dabei verlieren.
Die erste Hürde bei Transplantationen sind die Gesetze, wie ein Körper nach dem Tode behandelt werden darf. Das jüdische Gesetz verbietet es, den Körper zu entwürdigen, Profit von ihm zu ziehen oder das Begräbnis zu verzögern. Die Möglichkeit ein Leben zu retten sollte diese Bedenken aber überstimmen.
Der schwerwiegendste Einwand gegen das Organspenden ist die Feststellung des Todeszeitpunktes. Bei einer Herztransplantation muß aus medizinischen Gründen das Organ entnommen werden, während Atmung und Kreislauf noch funktionieren. Also ist die Organentnahme nur bei Hirntod möglich, wenn die Funktionen des Körpers durch Geräte aufrechterhalten werden.
Die jüdische Tradition kannte aber das Konzept des Gehirntodes nicht und hat daher den Tod als Aufhören von Atmung und Kreislauf bestimmt. Ursprünglich haben sich die Rabbiner daher geweigert, Organentnahmen von Hirntoten zu erlauben.
Diese Entscheidungen wurde inzwischen von den meisten Rabbinischen Autoritäten, zumindest von den konservativen, insofern geändert, als das Kriterium für den Hirntod die Gewissheit ist, dass eine Person in dieser Situation nicht wirklich “lebend” ist.
Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt die Erlaubnis, Organe zur Transplantation für die Rettung eines bestimmten Lebens zu spenden. Die heute praktizierte Form der Organspende ermöglicht es den Spitälern, Organe für einen bestimmten Patienten zu suchen, bevor die Organe entnommen werden.
Die Organentnahme für nicht direkt lebensrettende Zwecke, z.B. für Forschung, ist nicht gestattet, außer ein ganz spezielles Organ wird für eine ganz spezifische Untersuchung im Zusammenhang mit einer sehr seltenen Krankheit benötigt. Die Spende von lebensverbessernden, aber nicht lebensrettenden Organen und Geweben für Transplantationen ist unter den gleichen Umständen gestattet.
Organentnahmen von einem lebenden Spender müssen von Fall zu Fall mit einem Rabbiner besprochen werden, der in jedem einzelnen Fall die Risiken für den Spender abwägen muß. Sie werden empfohlen, wenn der Spender dadurch nicht in Lebensgefahr gerät.
Zur Verfügung gestellt und kommentiert von Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg
Stellungnahme zum Thema Organtransplantation im IslamIslamische Prinzipien und Regeln, die in Bezug auf Organtransplantation von Bedeutung sind:
Das Retten von Leben hat im Islam einen hohen Stellenwert. Deshalb wird Organtransplantation allgemein als erlaubt betrachtet, vorrausgesetzt, es liegt das Einverständnis des Spenders vor. Der Verkauf von Organen ist jedoch nicht gestattet.
Der Mensch sollte nach Heilmitteln für seine Leiden suchen. Auch der Prophet Muhammed empfahl den Muslimen, nach Medizin und Behandlungsmöglichkeiten zu forschen (Ibn Quaijim, 1970).
Neue Behandlungsmethoden sollen erprobt und bei nachgewiesenem Erfolg angewandt werden. Jeder Mensch sollte außerdem jederzeit darauf achten, dass er seine Würde bewahrt – selbst bei Krankheit und Unglücksfällen.
Was den Umgang mit anderen Menschen betrifft, so wies der Prophet die Muslime an, gegenüber ihren Mitmenschen mitfühlend zu sein. Er sagte auch: „ Die gesamte Menschheit ist die Familie (der, Ijal) Gottes; diejenigen, die ihrer Familie am besten dienen, werden von Gott am meisten geliebt.“
Der menschliche Körper ist auch nach dem Ableben eines Menschen in jedem Fall zu respektieren. Eine notwendige Untersuchung nach dem Tod oder eine Organspende gelten jedoch nicht als Verstümmelung des Körpers oder als Zeichen von Geringschätzung. Sollte bei der Entnahme eines Organs aus einem verstorbenen Körper letzterem irgendein Schaden entstehen, wird dieser sicherlich durch den gewonnenen Nutzen, durch das bewahrte Leben des Empfängers aufgewogen. Das Prinzip der Rettung eines Menschenlebens hat also Vorrang gegenüber allem, was den Körper des toten Spenders negativ beeinträchtigen könnte.
Im Falle eines lebenden Spenders beruft man sich auf das Prinzip, diesem keinen größeren Schaden zufügen zu dürfen. Dem Spender selbst ist es verboten, ein lebensnotwendiges Organ herzugeben und dabei sein Leben zu riskieren. Dies wäre den Verbrechen von Totschlag bzw. Selbstmord gleichzusetzen, die der Islam gleichermaßen verurteilt. Die Spende eines Organs dessen Verlust normalerweise nur einen sehr geringen Schaden, oder ein nur sehr begrenztes Risiko für die Gesundheit oder das Leben des Spenders nach sich zieht, gilt dagegen als akzeptabel. Man beruft sich auf das Prinzip des geringeren Übels. Eine leichte Verletzung in Folge einer Organspende, dem Schaden, der durch eine ohne Transplantation möglicherweise tödlich verlaufende Krankheit entsteht, unterzuordnen. Die Transplantation von Organen stellt eine Behandlungsmethode dar, die menschliches Leben rettet und die Lebensqualität von Menschen verbessern kann. Eine Organspende ist ein Akt der Wohltätigkeit, der Güte der Selbstlosigkeit und der Liebe. Gott liebt diejenigen, die ihre Mitmenschen lieben und versuchen, deren Nöte zu lindern und deren Unglück zu erleichtern.
Jede Handlung, die mit einer guten Absicht ausgeübt wird und darauf abzielt anderen zu helfen, sollte respektiert und unterstützt werden – vorausgesetzt sie richtet keinen größeren Schaden an. Der menschliche Körper ist das Eigentum Gottes; er und viele andere Dinge auch wurden dem Menschen aber zur Treuhänderschaft übergeben. Der Mensch hat seinen Körper daher so einzusetzen, wie ihm von Gott vorgeschrieben und von seinen Gesandten offenbart wurde. Über jeden Missbrauch wird Gott am Tage des Jüngsten Gerichtes urteilen, und jeder, der sich an seinem Körper versündigt wird eine gerechte Strafe erhalten. Selbstmord wird im Islam dem Totschlag gleichgesetzt. Wenn hier hervorgehoben wird, wie wichtig eine gute Absicht beim Spenden eines Organs ist, soll damit auch zum Ausdruck gebracht werden, dass menschliche Organe keine Ware sind. Sie sollten freiwillig und selbstlos mit einem Gefühl von Verbundenheit und aus Liebe zu den Mitmenschen gespendet und nicht gehandelt werden.
Der Großmufti Dschadu-I-Hag billigte Organspenden von Lebenden, solange diese dadurch keinen Schaden erleiden und ihr Geschenk freiwillig und in gutem Glauben um Gottes, und um die Sorge um die Menschheit willen machen. Weiterhin stimmte er der Entnahme von Organen aus dem Körper von Toten unter der Bedingung zu, dass ein legales Testament oder die Zustimmung der Angehörigen vorliege.
Die Groß-Gelehrten Rechtsgutachten (Fatwa Nr. 99 aus dem Jahr 1982) beschäftigt sich mit dem Thema Autotransplantation, die einstimmig sanktioniert wurden. Die Fatwa gestattete außerdem per Mehrheitsbeschluss Organspenden sowohl von Lebenden als auch von Verstorbenen, sofern ein legales Testament existiert oder die Angehörigen ihre Zustimmung gegeben hätten. Die vorangegangene Fatwa wies darauf hin, dass der lebende Spender über 18 Jahre alt sein sollte, damit die Einwilligung eine rechtliche Grundlage besitze.
Wien, den 14.05,2002
Dr. med. Ahmet HAMIDI
Prof. D. Islam. Pädag. Akad. In Wien
Bernardgasse 5, 1070 Wien
Jehovas Zeugen werden in der Öffentlichkeit besonders wegen ihrer strikten Ablehnung von Bluttransfusionen wahrgenommen. Sie leiten diesen religiösen Standpunkt von deutlichen Aussagen in der Heiligen Schrift ab. So wurde z.B. als Ergebnis des Apostelkonzils im 1. Jahrhundert folgende Aussage formuliert: "Enthaltung von Götzenopferfleisch, von Blut, von Ersticktem und von Unzucht. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig. Lebt wohl!"
(Apg 15,29 Einheitsübersetzung)
Viele schlussfolgern, dass analog dazu Jehovas Zeugen auch dem Transplantieren von Gewebe oder Organen grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen. Dies ist aber nicht der Fall. Selbstverständlich gibt es in der Frage der Organ- oder Gewebeverpflanzung unterschiedliche persönliche Ansichten und individuelle, vom Gewissen eines Menschen bestimmte Empfindungen. Bekanntlich werden die verschiedensten Bestandteile des menschlichen Körpers zur Transplantation in den Körper anderer Menschen verwendet, angefangen von Knochenmark und kleineren Teilen wie Hornhäuten bis hin zu größeren Organen wie Herz, Leber und Nieren. Die Bibel verbietet zwar ausdrücklich die Aufnahme von Blut, nicht aber explizit die Aufnahme von Gewebe, Organen oder Knochen. Daher muss jeder Christ, der in dieser Frage eine Entscheidung zu treffen hat, sorgfältig die Faktoren abwägen und dann nach seinem Gewissen entscheiden, was er vor Gott tun oder nicht tun kann. Es ist eine Sache, die jeder einzelne Christ persönlich Ð unter Abwägung aller sein christliches Wertbild prägenden Faktoren Ð entscheiden muss. Das erwähnte trifft auch auf den Fall einer Organspende zu.
Für weitere Informationen wenden sie sich bitte an:
Krankenhausinformationsdienst für Jehovas Zeugen
Andreas Hattinger
Gallgasse 42-44
1134 Wien
Tel.: +43 (0)1 804 53 45-25
Fax: +43 (0)1 804 53 45-75
E-Mail: his@at.wtbts.org